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Jenny Hagen forscht am Veterinär-Anatomischen Institut als Tierärztin zur Orthopädie des Pferdes. Wie sie das auch als Hufschmiedin nutzt? Die Mitteldeutsche Zeitung berichtet.

Drebsdorf. Mit der Zange hält Jenny Hagen das glühend heiße Eisen fest, mit der anderen Hand gibt sie Castana einen kurzen Klaps ans Bein. „Komm, Maus.“ Artig hebt die Stute das Hinterbein und Hagen presst das Eisen an den Huf.

Helle Rauchschwaden steigen auf, der Geruch von angesengtem Horn hüllt Mensch und Tier ein. Sekunden später legt Hagen das Eisen beiseite und klemmt sich Castanas Huf zwischen die Beine, die von langen ledernen Schürzen geschützt sind. Mit geübten Handgriffen schnitzt sie noch einige verbrannte Stellen weg. Fertig - der Huf ist perfekt vorbereitet für das neue Eisen.

Zwei halbe Stellen

Jenny Hagen, 34, durchtrainiert, das dunkle Haar zu einem lockeren Knoten gesteckt, ist Hufbeschlagschmiedin. Was so exotisch klingt, ist es eigentlich nicht mehr.

„Ich kenne einige Frauen in dem Beruf. In meiner Generation nimmt es immer mehr zu“, sagt PD Dr. habil. Jenny Hagen, die nicht nur Schmiedin ist, sondern auch Tierärztin. Am Veterinär-Anatomischen Institut der Universität Leipzig hat sie zwei halbe Stellen - in der Forschung und in der Lehrschmiede.

Wenn sie erzählt, wie sie zu ihren zwei Berufen kam, dann klingt das wie eine simple, logische Abfolge von Ereignissen. Hagen stammt aus Rodishain, einem kleinen Dorf im Südharz. Als sie 14 ist, legt ihre Mutter sich Pferde zu.

Mit Beschlagschmied Lars Dirnberger ist das Mädchen in der schulfreien Zeit oft unterwegs. Ein viel besserer Ferienjob als an der Supermarktkasse, findet sie. An der Universität in Leipzig studiert Hagen dann Tiermedizin.

In den Semesterferien arbeitet sie bei Dirnberger. Zwei Jahre Praxis muss sie sammeln, um sich der Prüfung als staatlich anerkannter Hufbeschlagschmied stellen zu können.

Weitere Voraussetzungen: eine abgeschlossene Berufsausbildung, ein Monat Einführungslehrgang an einer Hufbeschlagschule und vier Monate Vorbereitungslehrgang auf die Prüfung.

Einheit von Theorie und Praxis

Die ist sehr anspruchsvoll, selbst mit all dem Wissen aus dem Studium, erzählt Hagen. In Leipzig findet sie die perfekte Verbindung ihrer zwei beruflichen Identitäten: Sie forscht zur Orthopädie und Biomechanik des Pferdes, zeigt Wege auf, wie man mit Hufzubereitung und Hufbeschlag Fehlstellungen behandeln kann. 2018 habilitiert sie zu diesem Thema.

In der Praxis setzt sie ihre Forschungsergebnisse selbst um. Castana zum Beispiel, die hellbraune Zuchtstute, die sie auf Gut Drebsdorf frisch beschlägt, hat ein Problem mit den Fesselgelenken der Hinterbeine.

Sie stehen in einem ungünstigen Winkel, das führt zu einer Fehlbelastung. „Nach der letzten Geburt hat sie Spezialbeschläge bekommen. Die Eisen sind hinten etwas länger als normal, das korrigiert das Ganze“, erklärt Hagen.

„Liebe Maus“, lobt sie das Pferd, während sie mit kurzen, kräftigen Schlägen lange Vierkantnägel in den Huf treibt und so die neuen Eisen befestigt. Die Nagelspitzen ragen nach außen, was übersteht, wird abgeknipst und mit einer großen Feile geglättet.

Neue Eisen alle sechs Wochen

Castana lässt alles mit stoischer Ruhe über sicher ergehen. „Beim ersten Mal war sie ganz ängstlich, da musste ich sie sogar sedieren“, erzählt Hagen. So ein nervöses Tier kann auch mal gefährlich werden. Schlimme blaue Flecken hat sie schon davongetragen, aber nie Schlimmeres. Man braucht Gespür für das Tier und einen festen Griff.

Alle sechs bis acht Wochen sollte ein Pferd frisch beschlagen werden, erklärt Jenny Hagen. Die Eisen sind dann oft noch nicht abgenutzt und können wieder drauf. Aber der Huf muss gereinigt und das nachgewachsene Horn abgetragen werden.

Zu ihren Terminen bei den Pferdehaltern fährt Jenny Hagen mit dem Kleintransporter vor. Hinten im Laderaum sind Regale mit Werkzeugen und Hufeisenrohlingen, auch ein gasbetriebener Ofen ist an Bord. Und natürlich ein Amboss.

Eine gute Stunde dauert es, einem Pferd die alten Eisen abzunehmen, die Hufe zu reinigen und zu schneiden, die Eisen aufzubrennen, sie mit dem Schmiedehammer in die exakt passende Form zu bringen, sie aufzunageln und am Ende alles fertig zu polieren.

„Es ist ein sehr präzises Handwerk und auch eine gewisse Kunst“, sagt Jenny Hagen. Und man merkt ihr an: Sie liebt es.